spiegel.de ohne Werbung, Tracking und Cookies

Wie dwdl berichtet, besteht seit heute die Möglichkeit, spiegel.de komplett ohne Werbung und Tracking für monatlich knapp 5 Euro zu betrachten. Es handelt sich dabei aber nicht um die Bezahlschranke ‚Spiegel+‘, sondern ein zusätzlicher Service. Ich gehe jedoch nicht von einem großen Erfolg aus. Genauso glaube ich auch nicht, dass spiegel.de mit vielen zahlenden Kunden rechnet. Der Hintergrund ist meiner Ansicht ein anderer:

Tracking und Cookies

Liest man den Artikel der Development-Abteilung von spiegel.de aufmerksam (und etwas zwischen den Zeilen) durch, kristallisiert sich ein Schwerpunkt heraus: Tracking und Cookies. Die Entwickler behaupten, ein Angebot wie spiegel.de lässt sich mit normaler Werbung nicht finanzieren, vielmehr sei man auf Performance Marketing angewiesen. Und Performance Marketing ohne Tracking und Cookies funktioniert (zur Zeit) einfach nicht.

Laut DSGVO und (irgendwann zukünftiger E-Privacy-Verordnung) dürfen jedoch nur ‚für den Betrieb notwendige‘ Cookies ohne Einwilligung des Nutzers gesetzt werden. Für sämtliche weitere Cookies, wie eben für Werbung, bedarf es erst der Zustimmung der Nutzer. Diese dürften aber die wenigsten geben. Wie in dem Artikel die Entwickler schreiben:

… dass es für uns keine Lösung gewesen wäre, über SPIEGEL+ hinaus alle Inhalte einer Bezahlpflicht zu unterwerfen — oder alternativlos eine Zustimmung zu Anzeigen und Tracking zu fordern, ohne die man das Angebot schlicht nicht mehr nutzen könnte.

devspiegel auf medium.com

Rechtliche Gründe?

Momentan ist die Rechtslage nicht sonderlich klar, da sich die EU-Komission nicht auf einen europaweiten E-Privacy-Standard einigen konnte. Spiegel.de schafft durch diese Maßnahme aber durch die Hintertür meiner Ansicht nach jetzt schon rechtssicherheit. Durch die Behauptung, das Performance Marketing und damit verbunden Tracking und Cooking elementar für die Finanzierung sind, erklären sie diese Maßnahmen praktisch zu ’notwendigen Maßnahmen‘. Und die politische Vorgabe, dass ein Angebot auch ohne Cookies durch ein opt-out des Besuchers besuchbar sein muss, erfüllen sie mit ihrem ‚Spiegel+‘-Angebot. Die Seite ist besuchbar, nur eben muss man dann dafür zahlen.

Meine Meinung

Einerseits finde ich es begrüßenswert, das nicht alle Artikel auf spiegel.de hinter einer Bezahlschranke verschwinden. Und das Journalismus finanziert werden muss, steht auch außer Frage. Ich gehe davon aus, dass dieses Bezahl-Modell bald mehrere Verlage kopieren werden.

Andererseits sehe ich die Befürchtung, dass die Verlage die Webseiten jetzt noch mehr als bisher mit Werbung überfluten. Schließlich stehe eine werbefreie Version ja gegen Bezahlung zur Verfügung. Dabei glaube ich, dass durch immer mehr Werbung die Verlage selbst die Werbung unattraktiver machen. Durch (teilweise) selbst gesteuerte Werbung könnten qualitativ gute Medien viel höhere Erlöse erzielen als durch Performance Marketing. Mit reduzierter Werbung wäre bestimmt auch die Bereitschaft von Vielen höher, auf Ad-Blocker wie uBlock-Origin, uMatix oder Pi-Hole zu verzichten.

Update über praktische Auswirkungen

Den obigen Text habe ich vor inkrafttreten der Paywall geschrieben, jetzt mein Nachtrag nachdem ich es praktisch ausprobiert habe.

  • Chrome (mit Werbeblocker): Wenn die Meldung der Paywall erscheint, einfach den Werbeblocker (uBlock Origin, uMatix, PiHole etc.) kurz deaktivieren, die Werbeversion bestätigen und spiegel.de seinen Cookie setzen lassen. Danach den Werbeblocker wieder aktivieren. Die Seite ist nun wie bisher ohne Nachfrage werbefrei.
  • Firefox: Nach Zustimmung der Paywall zur Werbung filtert Firefox auch ohne Werbeblocker fast vollständig die Werbung raus.
  • Newsify (RSS-Reader auf IOS): Wie Firefox, zusätzlich ist in der Reader-Ansicht wie bisher der reine Text komplett werbefrei
  • gReader (RSS-Reader auf Android). Ursprünglich bleib die Paywall-Abfrage bleibt beim laden stehen, spiegel.de nicht mehr nutzbar. Mittlerweile funktioniert es auch im gReader wieder und Artikel sind (im Lesemodus) ohne Werbung lesbar.

Von rein technischer Seite scheint die Paywall nur auf das Cookie zu prüfen, was programmatisch ein Witz ist. Als Verlag würde ich die Entwickler rausschmeissen, in der Form ist die Paywall wirkungslos. Entweder bringt sie nichts, da die Werbung weiterhin heraus gefiltert wird, oder die Webseite funktioniert nicht mehr.

Update August 2020

Mitte August waren Artikel auf spiegel.de über RSS-Reader wie Newsify oder gReader wieder nicht lesbar; es blieb bei der Cookie-Abfrage stehen. Scheinbar probiert der Verlag technisch etwas herum. Weit kam er aber nicht, da nach vier Tagen wieder alles beim alten wie oben beschrieben ist.

Fazit: Alternativen sind nur einen Klick weiter

Tolle Leistung, spiegel. Übrigens: In meinem Newsfeed sind neben spiegel.de auch die Nachrichten von t-online.de. Und muss schon seit einiger Zeit feststellen, bei t-online fühle ich mich besser informiert. Übrigens gehört t-online nicht mehr der Telekom, sondern Ströer, die dort meiner Ansicht nach einen guten Job machen.

3 Kommentare

  1. Ist ok, sollen sie testen wie weit die Kunden das akzeptieren. Ich befürchte, die meisten Nutzer finden nicht die Möglichkeit Cookies zuzulassen oder es interessiert sie nicht, gehen zu anderen Anbietern. Spiegel ist nicht der Überflieger im Nachrichtengeschäft.
    Ein Cookie wäre ja noch akzeptabel, wird eh‘ nach Ende der Sitzung gelöscht.
    Tracking ist eine andere Nummer. Ich spioniere meinen Nachbarn auch nicht hinterher was sie wann machen.

  2. „Spiegel.de schafft durch diese Maßnahme aber durch die Hintertür meiner Ansicht nach jetzt schon rechtssicherheit. (sic)“.

    Das sehe ich – vor allem in Bezug auf die (zahlenden) Spiegel+-User – nicht so. Da es bislang keine e-Privacy-Verordnung gibt, richtet sich die datenschutzrechtliche Bewertung des (Werbe-)Tracking nach den Bestimmungen der DSGVO. Nach dem Urteil des EuGH vom 1.10.2019 – Rechtssache C-673/17, ist für das Setzen von Cookies notwendig, dass eine Einwilligung eingeholt wird. Hierbei müssen die Bedingungen in Artikel 7 DSGVO eingehalten werden, die neben einer umfassenden Informationspflicht die Freiwilligkeit umfassen. Diese Freiwilligkeit ist allerdings nicht gegeben, denn entweder man zahlt den (zusätzlichen) Geldbetrag, oder man kann die Seite nicht nutzen. Spiegel+-User können die vertraglich geschuldeten Leistungen also ohne Einwilligung nicht nutzen. Etwaige Bedenken im Hinblick auf das Profiling sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.

    Kritisch sehe ich auch die Darstellung. Der Spiegel suggeriert, dass es vor allem um Werbung geht, tatsächlich wird die Einwilligung aber vor allem eingeholt, um Tracking zu ermöglichen und das Verhalten der User auf der Seite zu analysieren.

    Vom Spiegel, dem sog. Kampfgeschütz der Demokratie, hätte ich mir mehr Transparenz erwartet.

    • Bin ja kein Anwalt, deshalb ist das hier nur meine persönliche Meinung: Beim Abschließen eines Spiegel+ Abos muss man den Datenschutzbestimmungen zustimmen (www.spiegel.de/datenschutz-spiegel) worin das geregelt ist. Deshalb ist das Tracking wohl rechtlich für eingeloggte Spiegel+ Leser kein Problem.

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